Aus dem Schützenmeister-Alltag

Der Schützenmeister hat beim Obligatorischen keine einfache Aufgabe: Er wird nämlich mit den verschiedensten Arten von Schützen konfrontiert. Es kommen Schützen, die problemlos ihr Programm absolvieren, die Sicherheit jederzeit einhalten und wieder gehen. Es gibt aber auch Schützen, die mit der Situation total überfordert sind. Hier ist die Rolle des Schützenmeisters entscheidend. Nur wenn er richtig reagiert, kann der Schütze seine Pflicht erfüllen.

Aus meiner Erfahrung, beispielsweise aus den Verbliebenenkursen, weiss ich, dass fast alle Schützen die 42 Punkte mit höchstens drei Nullern erfüllen können. Nur wenn medizinische Probleme vorliegen, ist diese Punktzahl nicht zu erreichen. Die meisten von den für den Verbliebenenkurs aufgebotenen Schützen geben beim Gespräch zu Beginn des Schiessens an, dass ihnen im Verein niemand wirklich helfen konnte und sich niemand für sie Zeit genommen hat.

Viele Schützenmeister sind der Meinung, dass die Schiessausbildung die Aufgabe des Militärs sei. Das ist grundsätzlich auch richtig. Die Realität ist aber leider, dass die Standschiessen der Rekruten während ihrer Rekrutenschule meist an einer Hand abzuzählen sind. Das Schwergewicht wird auf eine kürzere Einsatzdistanz und somit auf die Schiessausbildung in den KD-Boxen gelegt. Auch während den Wiederholungskursen wird oft nicht im Stand geschossen. Gemäss der Verordnung über das Schiesswesen ausser Dienst ist es dessen Aufgabe, die Schiessausbildung an der persönlichen Waffe in Schulen und Kursen zu ergänzen und zu entlasten.

Da die anerkannten Schützenvereine in der Schweiz vom Schiesswesen ausser Dienst leben, wird es nun also zur Aufgabe der Schützenmeister, die OP-Schützen enger zu begleiten und besser zu betreuen, damit das Standschiessen für sie zum angenehmen Erlebnis statt zur mühsamen Pflicht wird. Ich bin übezeugt, dass ein schwacher Schütze die gute Betreuung nicht vergessen und im nächsten Jahr wieder beim gleichen Verein zum OP kommen wird.

Wenn ein Verein oder ein Schützenmeister der Meinung ist, dass es nicht seine Aufgabe sein kann, die in der RS verpasste Ausbildung an der persönlichen Waffe nachzuholen, hat er nicht daran gedacht, dass er seinem Hobby, dem Schiessen mit Ordonnanzwaffen und/oder zumindest -munition ohne diese Aufgabe kaum frönen könnte. Der Bund, die Kantone und die Gemeinden unterstützen die Vereine nämlich beim Unterhalt der Schiessanlagen, mit stark vergünstigtem Bezug von Munition, bei der Ausbildung der Funktionäre (Kurse für Schützenmeister wie auch für Jungschützenleiter sind kostenlos) sowie – und das ist meiner Meinung nach ein sehr entscheidender Punkt – bei der Ausbildung des eigenen Nachwuchses. In Jungschützenkursen können junge Schützen zwischen 15 und 20 Jahren während sechs Jahren kostenlos eine optimale Ausbildung am Sturmgewehr 90 geniessen, während in anderen Sportarten die Vereine kaum Jugendliche ausbilden können, weil die finanziellen Mittel dazu kaum aufzubringen sind.

Vor diesem Hintergrund sollten sich alle Schützenmeister ihrer Aufgabe bewusst werden und den schlecht ausgebildeten Schützen mit Respekt begegnen. Die Schuld an der schlechten Ausbildung trifft nämlich nicht den Schützen, meist ist es ihm sogar unangenehm, dass er kaum selbstständig an seiner Waffe die Manipulationen vornehmen kann. Es dient dem Schützen mehr, wenn er geduldig angeleitet wird, als wenn alles für ihn übernommen wird. Allenfalls müssen ihm Manipulationen vorgezeigt, dann von ihm nachgemacht werden. Beim Schiessen selber muss ihm von Grund auf vieles auf einem einfachen Niveau erklärt werden (Leitauge bestimmen, Stellung einnehmen, Zielvorgang erklären, Abzugstechnik). In der RS lernen die Rekruten das Zielen mit dem Zielbild „Fleck“. Meistens kennen sie weder andere Zielbilder noch wissen sie, was „Fleck zielen“ überhaupt bedeutet. Die Schützenmeister müssen also den Schützen, zum Beispiel mit Hilfe der Schablone aus dem Handbuch für das Schiesswesen ausser Dienst, den korrekten Zielvorgang zeigen und darauf achten, dass das Sturmgewehr des Schützen darfür richtig eingestellt ist (Visiertrommel auf „weiss 3“, Nachtkorn unten). Bei allen Hilfestellungen sollte nicht vergessen werden, dass sich der Schütze zwar über jeden Punkt mehr freuen wird, aber das primäre Ziel verfolgt, das Programm zu erfüllen.

Um allen Schützen gerecht zu werden und einen reibungslosen Ablauf unter Einhaltung aller Sicherheitsvorschriften gewährleisten zu können, sollten folgende Punkte eingehalten werden. Wichtig: Die Punkte beziehen sich nur auf die Aufgaben während der Übung, also nicht um die Vor- und Nachbereitung (Absperrungen, Schiessfahne, usw.)

  • Die richtigen Personen müssen am richtigen Ort eingesetzt werden!
  • Für die Betreuung der Schützen während dem Schiessen werden optimalerweise Jungschützenleiter (die automatisch auch dem Schützenmeister-Status haben) oder Schützenmeister mit guten Kenntnissen im Bereich der Schiesstechnik eingesetzt.
  • Als Standaufsicht braucht es einen kommunikativen Schützenmeister. Er kommuniziert mit der Eingangskontrolle, den Schützen und den Schützenmeistern, welche die Schützen betreuen. Nur so können die „Problemfälle“ den besten Betreuern zugewiesen werden.
  • Auch für die Eingangskontrolle braucht es einen Schützenmeister. Dieser sollte freundlich und kommunikativ sein. Diese Funktion ist nicht zu unterschätzen: Der Schützenmeister, der die Eingangskontrolle vornimmt, sollte erkennen, wenn es sich bei Schützen um „Problemfälle“, also Schützen, die keine Ahnung vom Schiessen im Stand haben, handlt. Solche meldet er der Standaufsicht, damit die Schützen von A-Z optimal betreut und begleitet werden können.
  • Wenn ein Schütze keine Probeschüsse kauft, sollte dies von der Standblattausgabe der Standaufsicht gemeldet werden. In diesem Fall sollte dem Schützen geraten werden, zumindest 2-3 Probeschüsse zu erwerben, um sein Gewehr vor dem Programm einstellen zu können.
  • Schützen mit fehlenden Kenntnissen sollten zur Selbsthilfe angeleitet werden. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn ein Schütze mit geschlossenem Verschluss den Schiessstand betreten will. Oftmals weiss er einfach nicht, dass er den Stand nur mit geöffnetem Verschluss betreten darf. Es gibt aber auch Schützen, die den Verschluss nicht selbstständig öffnen können. Bei solchen Schützen handelt es sich um potentielle „Problemfälle“, sie sollten der Standaufsicht gemeldet werden.
  • Die Sicherheit ist immer ein zentrales Thema. So muss die Standaufsicht ab und zu die im Gewehrrechen abgestellten Gewehre auf ihren Zustand überprüfen und nötigenfalls Einfluss nehmen. Auch hier soll der Schütze dazu angeleitet werden, sein Gewehr in den korrekten Zustand zu bringen.
  • Das Argument, dass schlecht ausgebildetete Schützen ein Sicherheitsrisiko darstellen, gilt nur bei schlechten Schützenmeistern. Wird der Schütze vom Anfang (Eingangskontrolle) bis zum Schluss (Ausgangskontrolle) gut begleitet, kann nichts passieren.